Drechslerhandwerk feiert Aufnahme ins immaterielle Kulturerbe
Oberschleißheim/Fürth, 03.07.2018 (pr) – Das Drechslerhandwerk darf jubeln: Im noblen Schloss Schleißheim bei München wurde mit der feierlichen Urkundenübergabe seine Aufnahme ins Immaterielle Kulturerbe Bayerns besiegelt. „Wir sind stolz und glücklich, dass damit ein echtes Traditionshandwerk die öffentliche Aufmerksamkeit und Anerkennung erhält, die es verdient“, betont Thomas Mörtel, der im Fürther „Haus des Handwerks“ die Geschäfte des Deutschen Drechsler- und Holzspielzeugmacherverbandes führt.
Klicken Sie auf den Link zu einem Filmspot der Verleihung mit einem Interviewbeitrag
des stv. Bundesinnungsmeisters Wolfgang Miller.
http://www.stmwk.bayern.de/ministerium/videos.html?play=318
Dass dieser bereits seit 1973 in Fürth beheimatet ist, ist kein Zufall. Franken gilt heute als eines der Zentren im Hinblick auf die Weitervermittlung der handwerklich-tradierten Fähigkeiten und Techniken dieser Handwerkskunst, deren erste Spuren sich vor 4500 Jahren in Ägypten finden. Die Technik des Drehens zur Bearbeitung rotierender Werkstücke aus Holz, Horn, Bernstein oder Elfenbein wird vor allem in kleinen Betrieben bewahrt, etwa bei Drechslermeister Wolfgang Miller in Maßbach.
Wolfgang Miller, stv. Vorsitzender des 1879 gegründeten und heute etwa 100 Mitglieder zählenden Drechslerverbandes leitet im unterfränkischen Bad Kissingen auch die dreijährige Fachausbildung des Nachwuchses an der Berufsschule – einem von nur noch zwei Standorten in Deutschland. Denn Lehrlinge sind rar.
Der 54-jährige Miller, der die Aufnahme in die Liste des immateriellen Kulturerbes initiiert und in zweijährigen Bemühungen vorangetrieben hat, glaubt an eine positive Initialzündung: „Ich hoffe, dass dadurch unsere Kollegen wieder mehr Stolz auf ihren Beruf und Standesbewusstsein entwickeln und auch wieder mehr Auszubildende in ihre Betriebe aufnehmen, um ihr Wissen an die nächste Generation weiterzugeben.“
Solche handwerklichen und gesellschaftlichen Traditionen zu bewahren, ist eines der Ziele des immateriellen Kulturerbes. Bayerns Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, Prof. Dr. Marion Kiechle, die zwölf Urkunden für die Neuaufnahmen des Jahres 2018 überreichte, sieht darin „lebendige kulturelle Ausdrucksformen“, die Gemeinschaft, Identität und Sinn stiften und Bayern unverwechselbar machen. Bis dato zählt das Verzeichnis 37 Einträge, darunter das Flechthandwerk oder die Mal-, Fass- und Vergoldetechniken der Kirchenmaler.
Zur Illustration ihres Handwerks brachte die Drechslerdelegation ein handgedrehtes mannsgroßes Kaleidoskop nach Oberschleißheim mit und präsentierte es auf der Bühne. Es steht sinnbildlich auch für die moderne, anspruchsvolle Produktpalette der etwa 1600 deutschen Drechslerbetriebe. Ein Viertel davon allein in Bayern. Das Angebot reicht von kunstvollen Schalen und Leuchtern über Gebrauchsgegenstände wie Eierbecher und Pfeifen bis zu Schachfiguren und Drum-Sticks. Gearbeitet wird traditionell von Hand an der Drehbank – oder mit modernen CNC-Automaten.
Eine handwerklich-künstlerische Kombination, die nach Ansicht von Verbands- und Kreishandwerkerschafts-Geschäftsführer Mörtel mit Aufstiegsmöglichkeiten z.B. zum Meister, Techniker, Betriebswirt des Handwerks oder zu Studiengängen in Bereichen wie Produktdesign für viele junge Leute attraktiv sein sollte – wenn sie denn bekannter wäre.
Bundesinnungsmeister Walter Hoppe aus Hannover sieht große Chancen, dass sich dies nun verbessert: „Wir Drechslermeister werden die für die Kulturerbe-Bewerbung gesammelten Brancheninfos künftig für Werbebroschüren des Bundesverbandes nutzen. Und sollte uns eine baldige Aufnahme auch ins Bundesverzeichnis des immateriellen Kulturerbes gelingen, wäre dies der nächste Schritt, um die positive Öffentlichkeitswirkung zu vervielfachen.“
Bild zur Meldung: Urkundenübergabe im Schloss Schleißheim: Drechslermeister Wolfgang Miller, Auszubildender Quirin Steiner, Bayerns Kunstministerin Prof. Dr. med. Marion Kiechle, Drechslerverbands-Geschäftsführer Thomas Mörtel und Festakt-Moderatorin Traudl Siferlinger. Fotonachweis: PR (Andreas Gebert)